Erster Weltkrieg und
    Besatzung 1918-1930
    in Rheinland-Pfalz

    1. Einleitung

    Amerikanisch besetztes Gebiet ab 1919[Bild: Henry, Allen Tureman: Mein Rheinland-Tagebuch, Berlin 1923, S. 379, Dilibri 2009, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0128-1-11238.]

    Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Niederlage Deutschlands zogen alliierte Truppen ins deutsche Reichsgebiet ein. Vordergründiges Ziel war es, Besatzungszonen entlang des Rheins einzurichten und sicherzustellen, dass das besiegte Deutschland die Bedingungen des am 11. November 1918 geschlossenen Waffenstillstands einhielt.[Anm. 1] Von den alliierten Siegermächten Frankreich, Belgien, Großbritannien und den USA forderten die vom Krieg besonders betroffenen Länder Frankreich und Belgien eine solche Besetzung Deutschlands. Briten und Amerikaner akzeptierten diese Forderung, worauf schließlich vier Besatzungszonen entlang des westlichen Rheinufers eingerichtet wurden. Kommandozentren der jeweiligen Zonen lagen in Aachen (Belgier), Köln (Briten), Koblenz (Amerikaner) und Mainz (Franzosen). Vom östlichen Ufer ausgehend wurde eine neutrale Zone geschaffen. Die deutschen Truppen mussten das besetzte Rheinland sowie die neutrale Zone vollständig räumen.[Anm. 2] Zunächst bestand die Hauptaufgabe der einrückenden alliierten Truppen die sich zurückziehende deutsche Armee zu entwaffnen. Außerdem sollte die Kontrolle über Brücken und andere Übergänge am Rhein erlangt sowie Brückenköpfe auf östlicher Rheinseite errichtet werden, um bei einer möglichen Wiederaufnahme der Kämpfe einem Vorrücken deutscher Truppen nach Westen entgegenzuwirken.[Anm. 3]

    Mit Beginn der Besetzung am 17. November 1918 rückten amerikanische Truppen in die für sie vorgesehene Zone ein. Die Amerikaner machten Koblenz zur Verwaltungszentrale ihrer Besatzungszone und stationierten ihre Truppen in Koblenz, Trier sowie den in Dörfern entlang der wenigen Zufahrtswege. Viele amerikanische Soldaten wurden mangels Unterbringungsmöglichkeiten in den Häusern und Wohnungen der deutschen Zivilbevölkerung einquartiert und mussten fortan mit den Deutschen auf engstem Raum zusammen leben.[Anm. 4] Hieraus ergab sich eine Vielzahl an Überraschungen und Problemen, da sich durch den Krieg auf beiden Seiten massive Feindbilder entwickelt hatten. Nun sollten plötzlich Menschen, die zuvor noch in erbitterter Feindschaft zueinander standen, gemeinsam unter einem Dach wohnen und versuchen miteinander auszukommen.[Anm. 5] Zusätzlich erschwerte die vom amerikanischen Oberkommando erlassene »Anti-Fraternisation-Order«, die den Soldaten den persönlichen Umgang mit Deutschen weitgehend untersagte, ein unbeschwertes Zusammenleben.[Anm. 6]

    Aufruf des Bürgermeisters in der Neuwieder Zeitung vom 26.04.1919[Bild: Kreismedienzentrum Neuwied]

    Eine Erleichterung der Wohnungsnot trat erst mit dem Abzug eines Großteils der amerikanischen Armee im Sommer 1919 ein. Die Wohnsituation verbesserte sich und auch die Anti-Fraternisation-Order sowie andere die deutsche Bevölkerung betreffende Erlasse wurden gelockert. Außerdem setzte sich der ebenfalls 1919 zum General der Besatzungstruppen ernannte Major General Henry T. Allen leidenschaftlich für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten ein.[Anm. 7]

    In dieser Arbeit sollen vornehmlich die Beziehungen der amerikanischen Besatzer zur deutschen Bevölkerung in der amerikanischen Besatzungszone beleuchtet werden. Während der insgesamt vierjährigen Besatzungszeit schwankte das amerikanisch-deutsche Verhältnis vor Ort mehrmals. Das Hauptaugenmerk liegt in dieser Untersuchung auf der Frage, wie die amerikanischen Truppen die Deutschen wahrnahmen, wie sich die Koexistenz zwischen Deutschen und Amerikanern in den Jahren der Besetzung, beginnend mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen 1918 bis zu ihrem endgültigen Abzug 1923, gestaltete und wie sich die gegenseitige Meinung voneinander über jene Jahre hinweg veränderte. Für diese Untersuchung sollen besonders die Aufzeichnungen des amerikanischen Generals Henry T. Allen, von 1919 bis 1923 Kommandeur der Besatzungsarmee, einerseits und andererseits das Tagebuch des Soldaten Private Edward Inman, der in Frankreich gegen die Deutschen kämpfte und später als Besatzer ins Rheinland einzog, zurate gezogen werden.

    Anmerkungen:

    1. Vgl. Barnes, Alexander: In a Strange Land. The American Occupation of Germany 1918-1923. Atglen 2011, S. 8-10. Zurück
    2.   Vgl. Barnes, S.15; Cornebise, Alfred E.: Der Rhein Entlang: The American Occupation Forces in Germany, 1918-1923. A Photo Essay. In: Military Affairs 46 (1982), H. 4, S. 183-189, hier S. 183. Zurück
    3. Vgl. Barnes, S. 14. Zurück
    4. Vgl. Barnes, S. 40f; Golecki, Anton: Koblenz in der amerikanischen und französischen Besatzungszeit 1918-1930. In: Koops, Tilman [u.a.] (Hg.): Das Rheinland in zwei Nachkriegszeiten. 1919-1930 und 1945-1949. Koblenz 1995, S. 75-89, hier S. 75f. Zurück
    5. Vgl. Barnes, S. 12; Nelson, Keith: Victors Divided. America and the Allies in Germany, 1918-1923. Berkeley [u.a.] 1975, S. 25. Zurück
    6. Vgl. Anlage 1; Smith, Truman: American Military Government of occupied Germany 1918-1920 – Report of the Officer in Charge of Civil Affairs, Third Army and American Forces in Germany. Washington 1943, S. 203; Barnes, S. 105; Zur Anti-Fraternisation-Order mehr unter den Punkten 2.1 bis 2.3. Zurück
    7. Vgl. Nelson, S. 146-148. Zurück