Erster Weltkrieg und
    Besatzung 1918-1930
    in Rheinland-Pfalz

    Zusammenleben von Deutschen und Amerikanern

    Gemeinsame Weinprobe in Plaidt[Bild: Archiv Plaidter Geschichtsverein e.V.]

    Das Zusammenleben von Deutschen und Amerikanern gestaltete sich insbesondere in der frühen Phase der Besatzungszeit als komplexe Herausforderung. Noch unmittelbar vor der Besetzung des Rheinlandes standen sich Amerikaner und Deutsche auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges gegenüber. Dort sahen die Amerikaner das Stereotyp von den militaristischen, bösen Deutschen, den sogenannten Hunnen, bestätigt, das zuvor durch die alliierte Propaganda gezielt aufgebaut worden war. Die deutsche Propaganda hingegen hatte der Bevölkerung das Bild vom ungehobelten, wilden, aber nur wenig kampferprobten Amerikaner vermittelt.

    Eine Karikatur aus den Amaroc News thematisiert die Sprachbarriere zwischen Deutschen und Amerikanern[Bild: dilibri Rheinland-Pfalz; www.dilibri.de]

    Schon im Verlauf des weitgehend zivilisiert verlaufenden Einmarsches zeigte sich auf beiden Seiten ein anderes Bild. Auffällig für die Deutschen erschien das Äußere der jungen Männer von Übersee: Sie repräsentierten einen völlig anderen Typus, nicht nur, weil ihnen der in Europa weit verbreitete Schnurrbart meist fehlte.

    Das größte Problem stellte die zwangsweise Einquartierung vieler Soldaten in Privathäusern dar. Insbesondere in kleineren Dörfern waren Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffe seitens der einquartierten Soldaten sowie die Verdrängung der deutschen Quartiergeber aus ihren häuslichen Wohnbereichen in Lager- und Wirtschaftsräume während der Besatzung ein wiederkehrendes Problem. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten lernten beide Seiten relativ schnell, sich mit den Umständen zu arrangieren.

    Deutsche und Amerikaner beim gemeinsamen Schlittschuhlaufen[Bild: National Archives Washington, D.C.; Sammlung Dr. John Provan, Kelkheim]

    Die zum Teil auffälligen, kulturell bedingten Unterschiede bargen auch Konfliktpotenzial. Die Deutschen störten sich an verschiedenen alltäglichen Gewohnheiten der Amerikaner, etwa am Kaugummikauen. Der übermäßige Gebrauch von Öl und Fett in amerikanischen Küchen stieß bei der hungerleidenden Bevölkerung auf großes Unverständnis. Auch beschwerten sich diejenigen Deutschen, die Amerikaner beherbergten, dass ihre „Gäste“ täglich mehr Strom und Wasser verbrauchen würden als Deutsche in einer Woche. Ebenso sorgte die erhebliche Zunahme des Auto- und Motorradverkehrs durch die Amerikaner sowie deren – nach deutscher Auffassung – verantwortungslose Fahrweise für Unverständnis und führte mehrfach zu Unfällen mit Schwerverletzten oder gar Toten.

    Doughboys im Gasthaus Ackermann in Plaidt[Bild: Archiv Plaidter Geschichtsverein e.V.]

    Vor allem der übermäßige Alkoholgenuss vieler Doughboys machte der Zivilbevölkerung wie auch der amerikanischen Militärführung zu schaffen. Während die USA ab 1920 landesweit die Prohibition durchsetzten, konnten die Doughboys im Rheinland Bier und Wein zu festgelegten Zeiten frei erwerben. Der Genuss von hochprozentigem Alkohol war ihnen jedoch verboten. In der Folge wurde der Verkauf und Ausschank von Alkohol auch bei den Deutschen entsprechend streng reglementiert bzw. untersagt. Da die Amerikaner als finanzstarke Kunden bereit waren, wesentlich höhere Beträge als die Deutschen zu zahlen, wurden diese Verbote fortwährend unterlaufen. Ausschweifender Alkoholkonsum der Doughboys führte in vielen Fällen zu gewaltsamen Überfällen, Schlägereien, Unfällen oder – mit Blick auf Kontakte zum weiblichen Geschlecht – zu übergriffigem Verhalten.

    Doughboys bei der Kontrolle eines Handwagens zweier junger „Fräuleins“[Bild: National Archives Washington, D.C.]

    Auch die Amerikaner standen manchen Eigenheiten der Deutschen skeptisch und ablehnend gegenüber. Irritiert werden etwa stinkende Misthaufen erwähnt, die im ländlichen Raum traditionell von den Bauern neben ihren Häusern aufgeschichtet wurden.

    Auf deutscher Seite musste man Einschränkungen des Versammlungsrechts und der Pressefreiheit hinnehmen. Post- und Kommunikationswege wurden überwacht und zensiert. Zudem galt für jeden Deutschen ab zwölf Jahren Ausweispflicht sowie die Auflage, vor Reisen bei den amerikanischen Militärbehörden eine zusätzliche Erlaubnis für den Ortswechsel einzuholen. Besonders der Grenzübergang zur neutralen Zone wurde stark kontrolliert.

    Eine öffentlich angeschlagene Verordnung General Pershings in Cochem. Den älteren Herren, dessen Pfeifenkopf noch das Portrait Kaiser Wilhelms ziert, interessiert das weniger[Bild: National Archives Washington, D.C.]

    Grundsätzlich blieb in der Besatzungszone weiterhin deutsches Recht bestehen. Für die Besatzungstruppen und deren zivile Angestellte waren jedoch die amerikanischen Militärgerichte zuständig. Aus deutscher Perspektive urteilten diese ihren eigenen Soldaten gegenüber eher zu nachsichtig, während deutsche Straftäter zunächst willkürlich und mit unverhältnismäßiger Härte bestraft wurden. Dennoch waren Verurteilungen von Doughboys vor einem Militärgericht keine Seltenheit. Bei schweren Straftaten, konnte im Extremfall sogar die Todesstrafe verhängt werden. Mancher Soldat wurde vorzeitig in die USA zurückgeschickt oder unehrenhaft aus der Armee entlassen. Die drakonischen Strafen sollten abschreckend wirken und Deutsche wie Amerikaner von weiteren Straftaten abhalten.

    Ergänzt wurde die Gesetzgebung durch die Anordnungen der amerikanischen Militärbesatzung, denen strikt Folge zu leisten war. Zur Durchsetzung der Gesetze und Anordnungen kooperierten die Amerikaner mit deutschen Polizeikräften, die fortan amerikanischen Offizieren unterstanden. Innerhalb der US-Truppen sorgte die Militärpolizei (MP) für Ordnung. Bei Verstößen gegen die Anordnungen griffen die Besatzungsbehörden hart durch und konnten je nach Schwere des Verstoßes Geld- oder Freiheitsstrafen, in besonders schweren Fällen gar Ausweisungen aus dem Besatzungsgebiet ins unbesetzte Deutschland auferlegen.

    Platzkonzert der 51st Pioneer Infantry Band in Cochem[Bild: National Archives Washington, D.C.]

    Jedoch bestimmten nicht nur Konflikte die gegenseitigen Kontakte und Wahrnehmungen, sondern zunehmend auch viele positive Erfahrungen zwischen Deutschen und Amerikanern. Positiv wurde seitens der deutschen Bevölkerung wahrgenommen, wie die Amerikaner auf die schlechte Versorgungslage der deutschen Bevölkerung reagierten. Bereits Ende Dezember 1918 verbot die amerikanische Führung ihren Soldaten, Lebensmittel von der Bevölkerung zu kaufen oder zu requirieren und richtete stattdessen Suppenküchen und Lebensmittelverteilungspunkte für die notleidende Bevölkerung ein.

    Amerikanische Soldaten beim Scherzen mit deutschen Kindern auf der Straße[Bild: National Archives Washington, D.C.]

    Insbesondere Kinder wurden gezielt von den Doughboys mit Essen, Kleidung und sogar Geschenken zu Weihnachten versorgt. Das positive Bild des amerikanischen Soldaten, der nach dem Zweiten Weltkrieg deutschen Kindern Süßigkeiten schenkt – es entwickelte sich schon in diesen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg.

    Austausch und Miteinander zwischen Besatzern und Besetzten waren zunächst nur geduldet, später sogar erwünscht. Ein friedliches Zusammenleben und eine abgestimmte Kooperation mit den deutschen Behörden war von Beginn an ein ernsthaftes Anliegen des amerikanischen Oberkommandos.

    Texte und Redaktion: Marc Holzheimer M.A., Hauke Petersen M.A., Benjamin Pfannes B.A., Dr. Kai-Michael Sprenger