Erster Weltkrieg und
    Besatzung 1918-1930
    in Rheinland-Pfalz

    Kaiserslautern in der Besatzungszeit

    Kaiserslautern 1914-1918

    Kriegslazarett in der Fruchthalle 1914[Bild: StA Kaiserslautern]

    Wie in allen Teilen Deutschlands zogen auch in Kaiserslautern im Sommer 1914 die Soldaten begeistert zum Bahnhof, um die Züge zu den Fronten zu besteigen. Auch hier geschah dies unter dem Jubel der Bevölkerung. Vielen war noch nicht klar, welche Belastungen die folgenden Kriegsjahre mit sich bringen würden. Neben den immer häufigen eintreffenden Meldungen über gefallene Familienangehörige wurde im Laufe des Krieges die Versorgungslage immer schlechter.

    Lebens- und Verbrauchsmittelrationierungen gehörten bald ebenso zum Alltag, wie die Bedrohung durch alliierte Fliegerangriffe und die Allgegenwart von verwundeten Soldaten in den Lazaretten der Stadt.

    Bombenkrater nach einem Luftangriff im Juli 1918[Bild: StA Kaiserslautern]

    Zudem konnten die Kaiserslauterer bei entsprechenden Wetterverhältnissen den Krieg sogar hören. Ein Tagebucheintrag vom 22.02.1916 beschreibt den Beginn der Schlacht von Verdun, die immerhin 175 km entfernt stattfand, folgendermaßen: “Von Westen her donnert es seitgestern ununterbrochen, sodass wir inden Straßen der Stadt und selbst in den Häusern den schweren Donner der Geschütze vernahmen, der heute Nacht nicht aufhörte und bis heute Abend andauerte. [...] Es war ein dumpfes Rollen und oft ohne jede Unterbrechung. Die Gerüchte in der Stadt jagen sich förmlich.”

    Niederlage & Waffenstillstand

    Spätestens seit dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 steuerte der Erste Weltkrieg auf eine Entscheidung zugunsten der Alliierten zu. Seit April 1917 stand das Deutsche Reich auch mit den USA im Krieg. Die militärische Lage wurde für die deutsche Seite im September 1918 so aussichtslos, dass Erich Ludendorff im Namen der Obersten Heeresleitung die Reichsregierung dazu drängte, ein Gesuch um Waffenstillstand an die alliierten Mächte zu übermitteln. Darauf folgten mehrwöchige Vorverhandlungen auf diplomatischer Ebene. Schließlich wurde einer deutschen Delegation um den Staatssekretär Matthias Erzberger im November die Einreise nach Frankreich erlaubt.

    Flugblatt aus dem November 1918[Bild: StA Kaiserslautern]

    Vor Ort sträubten sich die Delegierten zunächst, die harten Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten zu akzeptieren. Die Oberste Heeresleitung drängte aber angesichts der hoffnungslosen Lage darauf, den Waffenstillstand unter allen Bedingungen anzunehmen. In den frühen Morgenstunden des 11. November 1918 wurde in einem Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet. Ab 11:00 Uhr französischer Zeit schwiegen die Waffen.

    In Kaiserslautern schrieb Theodor Zink Ende November: “Was derweil alles auf uns hereinbrach, ist mehr als Götterdämmerung. Es ist Deutschlands Untergang. Wir haben die fürchterlichen Waffenstillstandsbedingungen, man möchte sie nicht lesen und doch muss man. [...] Am liebsten möchte man nicht mehr leben, aber die Kinder rufen, die Zukunft ruft uns. Wir müssen retten, was zu retten ist. Und nun kommt der Feind ins Land.”

    Novemberrevolution

    Dem Abschluss des Waffenstillstandes ging ein Ereignis voraus, das von den Alliierten als unbedingte Voraussetzung verlangt wurde: Die Abdankung Kaiser Wilhelms II. Am 10. November 1918 verkündeten die Zeitungen seine Abdankung und den Thronverzicht des Kronprinzen. Somit war der erste Schritt in Richtung eines demokratischen Neubeginns getan. Aus München reiste Eduard Klement nach Kaiserslautern. Er war Mitbegründer der örtlichen SPD und Abgeordneter im bayerischen Landtag.

    Der Arbeiter- und Soldatenrat an der Spitze eines Demonstrationszuges zur 23er Kaserne, 10.11.1918[Bild: StA Kaiserslautern]

    Klement setzte sich zusammen mit dem Leutnant Dietrich an die Spitze des Arbeiter- und Soldatenrates, der in der Nacht zum 10. November in der Gaststätte “Zur Burg” in der Steinstraße gegründet wurde.

    Theodor Zink beschreibt die Geschehnisse des folgenden Morgens: “Als ich 10 Uhr aus der Schule kam und am Schillerplatz anlangte, trug man gerade von der ‘Burg’ her die rote Fahne der Sozialdemokratie, begleitet von 4 Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr über den Platz zum Maxplatz, wo sich allmählich viel Volk, Männer, Frauen, Jugend, Soldaten sammelten. In der Mitte des Maxschulhauses war eine Tribüne errichtet, an der Wand lehnte die Fahne, rechts davon Klement, links Dietrich, vor ihnen waren Parteigenossen, hinter ihnen 1000e von Zuschauern. Schlag 1/2 11 begann Klement. Mit vor Erregung zitternder Stimme rief er seine Proklamation des Volksstaates über den weiten menschengefüllten Platz, oft vom Beifall, namentlich der unreifen Jugend unterbrochen.”

    Am Folgetag fand im Rathaus eine erste Aussprache zum weiteren Vorgehen zwischen dem Stadtrat, dem Arbeiter- und Soldatenrat und den Vertretern der hier ansässigen Behörden statt.

    Rückzug der deutschen Truppen

    Bekanntmachung zur Plünderung von deutschen Militärgütern[Bild: StA Kaiserslautern]

    Seit Mitte November war das Straßenbild der Region durch die auf dem Rückzug zum Rhein befindlichen deutschen Truppen geprägt. So fuhren am 18. November die ersten größeren Fahrzeugkolonnen durch Kaiserslautern, während auf den freien Flächen rund um das Stadtgebiet immer wieder Flugzeuge landeten, die sich ebenfalls auf dem Rückweg von Westen befanden. Solche Landungen sorgten regelmäßig für große Menschenansammlungen interessierter Schaulustiger.

    Neben den regelmäßigen Berichten der Zeitungen über den Fortgang des Rückzuges spekulierten zudem viele Kaiserslauterer darüber, wann das hier ansässige 23. Infanterie-Regiment durch die Stadt ziehen würde. Zwar erreichten am 23. November die ersten Fußtruppen die Stadt, allerdings war es nicht das ersehnte 23., sondern das 123. Infanterie-Regiment. Am Ende warteten die Kaiserslauterer vergebens: Die 23er kamen gar nicht durch “ihre” Stadt.

    Der letzte deutsche Truppenverband in Kaiserslautern rückte schließlich im Laufe des 29. Novembers in Richtung Ludwigshafen ab. Schon zwei Tage zuvor war der Bevölkerung im Hinblick auf die baldige Ankunft französischer Einheiten empfohlen worden: “im Laufe des Donnerstags die Fahnen einzuziehen und evtl. sonstigen Straßenschmuck, der zu Ehren unserer tapferen Krieger entfaltet worden war, zu entfernen.” Jetzt begann das Warten auf die Besatzungstruppen.

    Besetzung der Stadt

    Französische Kavallerie rückt in die Stadt ein[Bild: StA Kaiserslautern]

    Anfang Dezember 1918 waren täglich in den Zeitungen die Stationen des französischen Vormarsches auf die Stadt zu lesen, der aus zwei Richtungen erfolgte: Ein Teil der Besatzungsarmee rückte von Westen über die alte napoleonische Kaiserstraße, aus Saarbrücken kommend über Homburg, Landstuhl und Einsiedlerhof vor. Der zweite Truppenverband näherte sich der Stadt aus südwestlicher Richtung über Waldfischbach und Stelzenberg.

    Den Einzug der ersten französischen Einheiten in Kaiserslautern am 6. Dezember 1918 beschreibt die Pfälzische Volkszeitung: “Nachdem gestern vormittag die Vorhut der französischen Armee, bestehend aus der Kavallerie, Artillerie und einem Tirailleur-Regiment einer marokkanischen Division ihren Einzug in Kaiserslautern gehalten, sind am Spätnachmittag die übrigen Teile der Division nachgefolgt. Nach 4 Uhr bekam man schwarze Kolonialtruppen, Neger vom Senegal und Madagaskar zu sehen mit einer Musikkapelle an der Spitze und den Kompaniefähnchen am Bajonett. Aufsehen erregte ein im Zug mitgeführter großer brauner Bär [...].

    Einmarsch der Franzosen[Bild: StA Kaiserslautern]

    Im Abenddämmer tauchten überall die fremdländischen Uniformen auf: Neben den Chasseurs d’Afrique (den eingeborenen algerischen Reitern) mit ihren malerischen Turbanen und roten und braunen Fetzen, die Chasseurs à pied (dunkelblau gekleidet), feldblaue Liniensoldaten und khakibraune Fremdenlegionäre mit Stahlhelmen und ‘Calottes’ (den zweispitzigen Mützen) als Kopfbedeckung.”

    Alliierte Blockade

    Während des Ersten Weltkrieges war ein wichtiges Element der alliierten Strategie die Seeblockade, mit der man den militärischen Gegner von der Versorgung mit kriegswichtigen Rohstoffen und Lebensmitteln abschnitt. Im Laufe des Krieges hatten die alliierten Mächte Deutschland und seine Verbündeten nahezu vollständig vom Weltmarkt abgetrennt und somit insbesondere die Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen annähernd unmöglich gemacht.

    Hinweise an die deutsche Bevölkerung[Bild: StA Kaiserslautern]

    Die Blockade wurde auch nach Abschluss des Waffenstillstandes vom 11. November aufrechterhalten. Sie sollte Deutschland die Wiederaufnahme der Kriegshandlungen unmöglich machen und den Druck zur Annahme der Friedensbedingungen verstärken. Somit bestand sie bis nach der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages fort und wurde offiziell erst am 12. Juli 1919 aufgehoben.

    Auch in Kaiserslautern waren die Folgen der Dauerblockade allgegenwärtig und für die gesamte Bevölkerung spürbar. So war im Januar 1919 keineswegs sicher, ob die Versorgung der gesamten Einwohnerschaft mit Kartoffeln bis zur nächsten Ernte sichergestellt werden könne. Die strenge Rationierung, die seit 1915 nahezu alle Arten von Lebensmitteln erfasst hatte, musste beibehalten werden. Der unregulierte Verkauf beispielsweise von Kartoffeln, Fleisch, Fisch oder Getreide stand somit auch nach dem Kriege unter Strafe. Bereits während des Krieges angelegte Lebensmittellager wurden weiter geführt, um wenigstens eine gewisse Grundversorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.

    Zensur

    Nach der staatlich-militärischen Zensur während des Ersten Weltkrieges herrschte in der Übergangsphase für einige Tage nahezu keine Überwachung von Presse und Schriftverkehr. Mit dem Einzug der französischen Truppen wurden jedoch am 6. Dezember 1918 in öffentlichen Aushängen u.a. folgende Bekanntmachungen verlautbart:

    Zensurbestimmungen[Bild: StA Koblenz]

    “Artikel 13: Keine Zeitung, kein Buch, keine Broschüre, kein Plakat, keine Zeichnung, keine Notiz darf gedruckt, veröffentlicht oder verteilt werden, ohne Erlaubnis des die Armee oder das Armeekorps kommandierenden Generals [...]”

    “Artikel 16: Bis auf weiteres müssen alle Briefe, Korrespondenzen, Botschaften, Telegramme auf dem Bürgermeisteramt abgegeben werden [...]. Die Beförderung von Briefen und Botschaften durch Privat- oder Militärpersonen ist strengstens untersagt.”

    Dies galt für Privatpersonen, aber insbesondere auch für die öffentlichen Organe. In einer internen Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Baumann an die Stadtverwaltungs-Referate wies dieser an, dass Briefe zu Themen wie z.B. “Lebensmittelversorgung” oder “Rohmaterialien” nicht eigenständig versandt werden durften, sondern “unverschlossen beim Herrn Militärverwalter abgegeben” werden mussten. Am 16.12.1918 waren die ersten Zensurlücken in den Tageszeitungen zu erkennen, wo man missliebige Artikel entfernt hatte. Dass eine Nichtbeachtung der Zensurvorgaben unmittelbare Konsequenzen haben konnte, meldete die Pfälzische Volkszeitung am 21. Dezember 1918: “Jede ohne vorherige Genehmigung des kontrollierenden Offiziers erschienene Veröffentlichung” würde eine “zeitweilige, von 5 bis 30 Tage dauernde Aufhebung der Zeitung und gegebenenfalls Beschlagnahme der veröffentlichten Schriften” nach sich ziehen. In schweren Fällen drohten sogar Ausweisung, Geld- und Gefängnisstrafen.

    Zusammenleben

    Militärparade in der Eisenbahnstraße[Bild: StA Kaiserslautern]

    Das Zusammenleben mit den französischen Besatzungstruppen führte zu mancherlei Zwischenfällen, Missverständnissen und Auseinandersetzungen.

    Ansprechpartner für alle Arten von Beschwerden war für die Bürgerschaft der Stadt Kaiserslautern zunächst das bei der Stadtverwaltung eigens eingerichtete Besatzungsamt. Dieses war im Namen des Oberbürgermeisters für die Kommunikation mit den Besatzungsstellen zuständig und befasste sich auch mit Beschwerden und Zwischenfällen.

    Beim Besatzungsamt wurden regelmäßig Beschwerden über durch französische Soldaten verursachte Sachschäden und über verbale oder körperliche Auseinandersetzungen mit den Besatzungstruppen eingereicht. Aber auch über die zu schnell fahrenden französischen Autos und deren Beteiligung an Verkehrsunfällen, sexuelle Übergriffe oder Lärmbelästigungen durch Militärübungen gingen Beschwerden ein.

    Verordnung zum Grußzwang[Bild: StA Kaiserslautern]

    Das Besatzungsamt war aber ebenso Vermittler, wenn die Beschwerden von der französischen Seite geführt wurden. Dies war beispielsweise der Fall, wenn die vom Militär beanspruchten Wohnungen nicht rechtzeitig, oder nicht im geforderten Zustand zur Verfügung standen.

    Der Leiter des Amtes, Franz Friedel, bezeichnete sich selbst in der Rückschau als eine Art “Verbindungsoffizier” zwischen deutscher und französischer Verwaltung.

    Zollgrenze am Rhein

    Mit der Verordnung Nr. 77 vom 8. März 1921 errichtete die Interalliierte Rheinlandkommission eine Binnenzollgrenze entlang des Rheins. Somit war das besetzte linksrheinische Gebiet wirtschaftlich deutlich gegen das restliche Deutsche Reich abgeschirmt. Die Wareneinfuhr und insbesondere die Warenausfuhr in das unbesetzte Deutschland wurden mit Zöllen belegt und damit erheblich erschwert. Es galten ähnliche Bedingungen wie für Geschäfte mit dem Ausland, was für die ohnehin stark geschwächte örtliche Wirtschaft einen erneuten Rückschlag bedeutete.

    Verordnung Nr. 77[Bild: dilibri Rheinland-Pfalz (www.dilibri.de) [CC BY-NC-SA 3.0]]

    Auslöser für diese Sanktionsmaßnahme war die Weigerung der deutschen Regierung, den in London von den Alliierten ausgehandelten Zahlungsplan zu akzeptieren. Die Zollbestimmungen wurden zum 30. September 1921 zunächst wieder aufgehoben, nachdem das Deutsche Reich die Bedingungen des Zahlungsplanes bereits im Mai angenommen hatte. Im Zuge der “Ruhrkrise” zu Beginn des Jahres 1923 wurden die Zollschranken entlang des Rheins jedoch abermals aktiviert. Deutschland war aus der Sicht Frankreichs mit seinen Zahlungen im Rückstand. Die Besetzung des Ruhrgebietes und die erneute Erhebung von Zöllen auf den innerdeutschen Handel sollten den Druck erneut steigern.

    Erst mit der Verordnung Nr. 274 wurde die Rheinzollgrenze am 21.10.1924 endgültig aufgehoben. Zuvor war nach langen Verhandlungen im August 1924 eine neue Regelung für die Zahlung der deutschen Reparationen gefunden worden. Mit dem so genannten “Dawes-Plan” wurden die zu zahlenden Raten an die jeweilige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angepasst.

    Inflation

    Eines der drängendsten Probleme der Nachkriegszeit war die Inflation, der Wertverlust des deutschen Geldes. Die Ursache dieser Entwertung lag zunächst in der Finanzierung des Krieges. Aber auch nach dem Ende des militärischen Konfliktes und dem Abschluss des Friedensvertrages von Versailles konnte die Mark nicht stabilisiert werden.

    Plakat zur Ausgabe von städtischem Notgeld[Bild: StA Kaiserslautern]

    Im Gegenteil: Zur Abdeckung der im Friedensvertrag festgelegten Reparationszahlungen wurde die Banknotenproduktion gesteigert. Spätestens im Zuge des passiven Widerstandes gegen die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen stürzte der Kurs der deutschen Währung dann aufgrund der zusätzlichen Kosten ins Bodenlose. Beim Vergleich mit dem US-Dollar wird die Entwicklung besonders deutlich: Ein US-Dollar kostete im Juli 1914, unmittelbar vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, noch 4,19 Mark. Nach dem Krieg hatte sich die Kaufkraft der Mark bereits halbiert. Im Januar 1923 lag der Kurs für einen US-Dollar bei 49.000 Mark. Im November 1923 wurde dann der Maximalwert von 4.200.000.000.000 Mark für einen US-Dollar erreicht.

    Aufgrund der im Zuge der Inflation aufgetretenen Knappheit an Bargeld wurde den Kommunen ab Oktober 1922 erlaubt, eigenes Notgeld herzustellen und an die Bevölkerung auszugeben. Auch größere Unternehmen zahlten Löhne mit eigenem Geld. Das Notgeld war im besetzten Gebiet bis April 1924, teilweise darüber hinaus, in Umlauf.

    Währungsreform

    In den Wirren der Revolution drohte das gesellschaftliche Leben im Chaos zu versinken. Nach der vorübergehenden Beilegung der größten politischen Konflikte, allen voran des Ruhrkampfes, reagierte die Berliner Reichsregierung, indem sie die Währungsreform mit der Schaffung der so genannten Rentenbank zum 15. November 1923 einleitete. Das alte Geld wurde ungültig: Eine Billion Mark wurden zu einer Rentenmark. Als Garantie wurden Hypotheken auf das Volkseigentum an Land und Industrie aufgenommen.

    Eine Rentenmark aus dem November 1923[Bild: Deutsche Rentenbank [gemeinfrei]]

    Im besetzten Gebiet wurde die Ausgabe der Übergangswährung allerdings zunächst von den Besatzungsbehörden blockiert. So entstand für die Menschen in Kaiserslautern eine sehr unübersichtliche Situation, in der neben dem offiziellen städtischen Notgeld unter anderem “Régie-Franken” in Umlauf waren. Diese hatten während der Inflation zur Zahlung von Eisenbahnfahrkarten gedient, wurden nun aber teilweise auch als alltägliches Zahlungsmittel eingesetzt. Hinzu kamen französische Francs, mit denen die Besatzungstruppen zahlten. Erst mit der endgültigen Entwertung des Notgeldes zum 1. April 1924 wurde diese chaotische Phase in der Besatzungszone überwunden. Von nun an galt auch in Kaiserslautern offiziell nur noch die Rentenmark als Zahlungsmittel.

    Im Oktober 1924 endete schließlich für das gesamte Deutsche Reich die Übergangsphase zur Konsolidierung der Währung mit der Einführung der neuen Reichsmark und der Ausgabe des Geldes. Auch in Kaiserslautern wurde jetzt mit der neuen Reichsmark gezahlt.

    Separatismus

    Plakat zur Proklamation der Autonomen Pfalz[Bild: StA Kaiserslautern]

    Die politische Umgestaltung Europas nach dem Ende des Krieges bedeutete für das Deutsche Reich größere Veränderungen. Neben der (Wieder-) Abtretung Elsass-Lothringens und verschiedenen Grenzkorrekturen zugunsten Belgiens, stellte auch die Entmilitarisierung und Besetzung der linksrheinischen Gebiete einen politischen Einschnitt dar. Ab 1919 entstanden bereits vereinzelte Bestrebungen einer Loslösung von den Regierungen in Berlin und München.

    Französische Soldaten bei einer Demonstration gegen Separatisten[Bild: StA Kaiserslautern]

    Allen voran die “Freie-Pfalz-Bewegung”. Deren Anhänger beriefen sich auf die Zeit der “Cisrhenanen”, die in den 1790er Jahren eine eigenständige Republik links des Rheins etablieren wollten. In der Bevölkerung ergab sich allerdings keine breite Unterstützung, so dass dieser erste Versuch schnell scheiterte. Im Zuge des krisenhaften Jahres 1923 flammte auch der Separatismus wieder auf. Der Höhepunkt dieser zweiten separatistischen Bewegung war mit der Ausrufung der “Autonomen Pfalz” am 12. November 1923 in Speyer erreicht. Eine Woche zuvor war bereits in Kaiserslautern die grün-weiß-rote Fahne gehisst und unter dem Vorsitz von Heinz Orbis im Bezirksamtsgebäude eine “Regierung der Rheinischen Republik” installiert worden. Mit Unterstützung der Besatzungsmacht regierten die Separatisten die Pfalz bis zum Februar 1924. Ausgelöst durch die Erstürmung des Bezirksamtsgebäudes in Pirmasens brachen auch in Kaiserslautern am Morgen des 13. Februar Kämpfe aus, bei denen mehrere Menschen ihr Leben verloren. Die Franzosen entzogen den Separatisten nun ihre Unterstützung und die “Autonome Pfalz” löste sich auf.

    Bautätigkeit

    Im Vergleich zu den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges waren die konkreten Schäden innerhalb der Stadt 1918 nur gering. Jedoch kamen während des Ersten Weltkrieges große Teile der ländlichen Bevölkerung nach Kaiserslautern, um in der kriegswichtigen Metallindustrie zu arbeiten, bei der Organisation der Nachschubversorgung mitzuwirken oder in anderen Bereichen Arbeit zu finden.

    Wohnanlage in der Fischerstraße heute[Bild: Carsten H. [CC BY-SA 3.0]]

    Das führte zu einem dramatisch erhöhten Bedarf an Wohnraum, der die Stadtverwaltung sogleich zum Eingreifen zwang. Auf Betreiben des Bauamtmanns Hermann Hussong wurde eine gemeinnützige Baugenossenschaft gegründet. Trotz vereinzelter Opposition gegen dieses Vorhaben innerhalb des Stadtrates wurden die Weichen hierfür schon im Herbst 1918 gestellt.

    Der Versailler Friedensvertrag verpflichtete das Deutsche Reich dazu, den Besatzungstruppen auf seine Kosten ausreichenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Aufgrund des bereits herrschenden Wohnraummangels entschied man sich daher, neben der Bereitstellung von bestehenden Wohnungen, auf Kosten des Reiches ab 1921 in der Fischerstraße eine neue Wohnanlage für französische Offiziere und deren Familien zu errichten. Dem Stadtbaumeister Hussong kam das gelegen, da das sumpfige Gebiet im Osten der Stadt mit eigenen Mitteln gar nicht hätte erschlossen werden können. Die so entstandenen repräsentativen Bauten gingen 1926 in den Besitz der neuen Bau AG über. Weitere in dieser Zeit geplante Bauprojekte wie der “Rundbau” und der “Grüne Block” prägen das Stadtbild bis heute.

    Kultur

    Nicht nur wirtschaftlich, auch kulturell wirkte sich die französische Besatzung auf das Leben in Kaiserslautern aus. Vordergründig galt es, den interkulturellen Austausch zwischen Deutschen und Franzosen zu fördern, um so “im Sinne des künftigen Völkerbundes die Völker einander wieder zu nähern.” Den Bewohnern der besetzten Gebiete sollte ein positives Bild von französischer Kultur und Lebensweise vermittelt werden. Ankündigungen und Rezensionen aus der lokalen Presse belegen ein breites Angebot an kulturellen Veranstaltungen, die sich gezielt an die Menschen vor Ort richteten. Renommierte Orchester und Schauspieltruppen aus Frankreich und Belgien gaben Konzerte am Stadttheater, zu denen auch die heimische Zivilbevölkerung Zutritt hatte.

    Plakat einer französischen Vorführung im Stadttheater[Bild: Stadtarchiv Kaiserslautern, P-A1-1133]

    Kostenlose Sprachkurse, Kinovorführungen und Vortragsreihen über die “französische Denkart und Lebensweise” dienten dem Erwerb und der Vertiefung von Kenntnissen über das Nachbarland, mit dem man wenige Jahre zuvor noch im Krieg stand. Mindestens zwei französische Buchhandlungen boten Druckerzeugnisse in der Sprache der Besatzungsmacht zum Kauf.

    Mit seiner offensiven Kulturpolitik verfolgte Frankreich jedoch auch politische und ökonomische Interessen. Für französische Kunst, Literatur und Presse sollten neue Absatzmärkte geschaffen und der politische Einfluss der nichtbesetzten deutschen Gebiete zurückgedrängt werden. Auf der anderen Seite des Rheins sorgten die kulturellen Bemühungen des Nachbarn folglich für Misstrauen und Kritik. Man befürchtete “eine Gefahr für das Deutschtum im besetzten Gebiet” und bezichtigte Frankreich und Belgien derVerbreitung von Propaganda.

    Regiebahn

    Plakat gegen "Volks- und Arbeiterverräter"[Bild: StA Kaiserslautern]

    Mit der Verkündung des “passiven Widerstandes” gegen die Besetzung des Ruhrgebietes wurde ab dem 19. Januar 1923 von deutscher Seite allen pfälzischen Eisenbahnern die Zusammenarbeit mit den Besatzungstruppen untersagt. Sie sollten, ebenso wie alle anderen öffentlichen Beamten und Bediensteten, ihre Arbeit einstellen. Umgehend wurde Personal aus Frankreich geschickt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dieses Provisorium erhielt den Namen “Regiebahn”, oder schlicht “die Regie”.

    Aufruf an das pfälzische Eisenbahnpersonal[Bild: StA Kaiserslautern]

    Auf die Arbeitsverweigerung der deutschen Eisenbahner reagierten die französischen Behörden mit Festnahmen und zunehmend mit Ausweisungen aus dem besetzten Gebiet. Zahllose Bahner mussten mit ihren Familien über den Rhein fliehen. Einige kooperierten mit den Franzosen und waren als “Kollaborateure” in weiten Teilen der Bevölkerung besonders verhasst, wurden öffentlich denunziert und mussten um ihre Sicherheit fürchten. Umgekehrt wurden die Ausgewiesenen in französischen Medien namentlich angeprangert.

    Gelegentlich ging der “passive Widerstand” auch zum aktiven Kampf über. Sabotageakte, insbesondere gegen Anlagen der “Regiebahn”, warenkeine Seltenheit. Nachdem sich die politische Lage beruhigt hatte, ging der Eisenbahnbetrieb im besetzten Gebiet am 16.11.1924 wieder in deutsche Hände über.

    Mario Aulenbacher, November 2018