Erster Weltkrieg und
    Besatzung 1918-1930
    in Rheinland-Pfalz

    Kriegerdenkmäler der Zwischenkriegszeit in der Pfalz

    Anzeige des Turnvereins Dannstadt in der Pfälzischen Rundschau vom 13. März 1919[Bild: Heinrich Thalmann]

    Das Erstaunen über den plötzlichen Waffenstillstand im November 1918, die Fassungslosigkeit über den Friedensvertrag von Versailles mit Deutschland als Alleinschuldigem erschütterte das ganze deutsche Volk.[Anm. 1] Gerade in den Familien, in denen Vater, Sohn oder Bruder gefallen waren, auch in Betrieben, Vereinen und Behörden, die Mitarbeiter und Mitglieder verloren hatten, und insbesondere bei den Kriegsteilnehmern, die überlebt hatten, fragte man sich: Waren diese Opfer umsonst gewesen?[Anm. 2]

    In der Pfalz hatte man im August 1914 trotz Kriegsbegeisterung befürchtet, Kriegsgebiet zu werden.[Anm. 3] Der Einsatz der deutschen Soldaten war von Beginn an und während des Krieges immer als Einsatz zum Schutz der Heimat gewürdigt worden. Nach dem Waffenstillstand war man im Linksrheinischen zwar durch die Besetzung einer anderen Friedenswirklichkeit ausgesetzt als erhofft, doch die Dankbarkeit für den Kriegseinsatz zum Schutz der Heimat und die Trauer um die Gefallenen bestanden weiter.

    Kriegerdenkmal Oberwiesen[Bild: Heinrich Thalmann]

    Direkt nach Kriegsende bis Ende 1919 beabsichtigten insbesondere die Vereine ihre gefallenen Mitglieder trotz fehlender finanzieller Mittel für ihr Opfer zu würdigen. Dazu wurden handgeschriebene oder gemalte Gedenktafeln in Vereinslokalen aufgehängt oder Nachrufe in den Zeitungen aufgegeben. Danach gab es weitere Planungen von Denkmälern,[Anm. 4] für die es seit 1919 einer baupolizeiliche Genehmigung bedurfte. Diese wurde in der Pfalz von zwei Landbauämtern in Kaiserslautern und Speyer kontrolliert, die aber auch beratend zur Seite standen.[Anm. 5] Da die Gemeinden Gelder für soziale Maßnahmen zur Versorgung der Bevölkerung bereitstellen mussten und daher durch Bürgermeister oder Gemeinderäte aufgrund fehlender finanzieller Mittel nur selten Gelder zur Errichtung eines Kriegerdenkmals bereitgestellt werden konnten, übernahmen vor allem die Vereine diese Aufgabe von der Planung bis zu Errichtung. Hier zeigten sich allerdings häufig unterschiedliche Vorstellungen, was Motiv, Aufstellungsort, Inschriften und Material betraf, sodass sich die Errichtung eines Denkmals teilweise um Jahre verzögerte. Hinzu kam, dass das Anfang der 1920er Jahre in mehreren Haus- und Straßensammlungen zusammen gekommene Geld durch die Inflation 1923 wertlos wurde. Schon die zuvor geschaffenen Kriegerdenkmäler hatten häufig ohne Namen der Gefallenen auskommen müssen, da eben das Geld für das Setzen der Buchstaben der vielen Namen fehlte.[Anm. 6] Die Schlichtheit der Kriegerdenkmäler als Findling, aus Stein gehauen oder aus Beton gefertigt, war aber auch dem Umstand zuzuschreiben, dass bis Mitte der 1920er Jahre nur einfache Gedenkobjekte von der Luxussteuer befreit waren.

    Kriegerdenkmal in Miesau[Bild: Heinrich Thalmann]

    Danach konnte man mehr Gestaltungswillen bei der Erstellung von Denkmälern und Gedenktafeln beobachten.[Anm. 7] Waren es am Anfang neben Obelisken und Stelen vor allem trauernde Menschenfiguren, die in klassizistischer Tradition die Toten des Weltkriegs mit antiken Vorbildern oder germanischen Heldenfiguren verglichen, wandelte sich die Bedeutung etwa ab Mitte der 1920er Jahre immer mehr vom Trauermotiv zum Auferstehungsmotiv.[Anm. 8] Nicht mehr Opfer, Leid und Trauer standen nun im Vordergrund, sondern die Figuren zeigten nun häufig „trotzige Krieger“[Anm. 9], die mit Gewehren Wache hielten und die Hoffnung auf die Wiederauferstehung des deutschen Volkes symbolisierten, was fast immer als Erneuerung der militärischen Stärke Deutschlands verstanden wurde.

    Kriederdenkmal Hohenecken[Bild: Heinrich Thalmann]

    Da die meisten Toten im Ausland gefallen und beigesetzt waren, kam vielen Kriegerdenkmälern in der Heimat die Funktion eines Grabsteinersatzes zu, an dem Hinterbliebene, aber insbesondere in den zwanziger Jahren auch alle Ortsvereine und Mitbürger gemeinsam trauern konnten.[Anm. 10] In den Inschriften [Anm. 11] und Einweihungsreden wurde die Dankbarkeit der organisierenden Vereine oder Gemeinden für ihre gefallenen „Helden“ deutlich, die durch ihr Opfer die Heimat während der Kriegszeit vor militärischen Auswirkungen geschützt hatten. Häufig waren die Namen mit dem Todesdatum sowie dem Todesort verbunden, sodass damit die Erinnerung gemeinsam nachvollziehbar und die Identität der Überlebenden hergestellt wurde.[Anm. 12] Die Nennung der militärischen Einheit war auch für die überlebenden Kriegsteilnehmer wichtig, da dadurch indirekt auch ihre militärische Zugehörigkeit und ihr Einsatz gewürdigt wurden.[Anm. 13] Allerdings war es für diese eine der wenigen Möglichkeiten, auf ihren gefährlichen Kriegseinsatz hinzuweisen. Wurden doch in der Weimarer Republik nach den pathetischen Kriegerehrungen im Kaiserreich nun die Kriegerehrungen für die Überlebenden aufgrund des „Pathos der Nüchternheit“[Anm. 14] von Vertretern des Staates formlos per Post zugestellt.[Anm. 15] Viele Kriegsveteranen mussten auch um die finanzielle Anerkennung ihres Kriegseinsatzes kämpfen, ein Umstand, den die Nationalsozialisten für sich zunutze machten, indem sie dies im Falle der Regierungsübernahme zu ändern versprachen und dann auch umsetzten.

    Der Volkstrauertag, 1919 für die Opfer des Weltkriegs eingeführt, wurde 1934 zum Heldengedenktag. Auf den Kriegerdenkmälern gab es kaum noch trauernde Gestalten, Hoffnung und neues Selbstbewusstsein wurden dargestellt durch kampfbereite Soldaten mit militärischer Ausrüstung, die die revanchistischen Ziele verdeutlichten.[Anm. 16] Die Kriegerdenkmäler und ihre Einweihungsfeiern, nun initiiert von der NSDAP, wurden propagandistisch zu militärischen Aufmärschen der NSDAP-Organisationen genutzt, die Einweihungsreden beschworen den Mythos der Schützengrabengemeinschaft, [Anm. 17] das Opfer der Gefallenen des Ersten Weltkriegs wurde zum Vorbild für den kommenden Krieg.

    von Heinrich Thalmann, Juni 2020

    Anmerkungen:

    1. Vgl. dazu Leonhard, Jörn, Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918-1923, München 2018, S. 550ff.; vgl. Krumeich, Gerd: Die unbewältigte Niederlage. Das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Weimarer Republik, Freiburg 2018, S. 211ff; Dülffer, Jost; Krumeich, Gerd (Hg.), Der verlorene Frieden. Politik und Kriegskultur nach 1918, Essen 2002. Zurück
    2. Zur Geschichte der Kriegerdenkmäler vgl. Hettling, Manfred, Echternkamp Jörg, Heroisierung und Opferstilisierung. Grundelemente des Gefallenengedenkens von 1813 bis heute, in: diess. Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München 2013, S.123ff.; auch in lokalen Veröffentlichungen von Betz, Isa-Maria, Gedenkstätten im Landkreis Germersheim für Gefallene des Ersten Weltkriegs und vorhergehender Kriege, Teil 1, in: Schriftenreihe zur Geschichte des Landkreises Germersheim Band 3, Germersheim 2014, S. 179ff., Teil 2 Band 4, Germersheim 2016, S. 93ff.; Furtwängler, Martin: Erinnerung aus Erz und Stein: Denkmäler in Ludwigshafen am Rhein bis 1945 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein 35), Ludwigshafen am Rhein 2006. Zurück
    3. Vgl. Thalmann, Heinrich, Die Pfalz im Ersten Weltkrieg. Der ehemalige bayerische Regierungskreis bis zu seiner Besetzung Anfang Dezember 1918 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte Bd.2), Kaiserslautern 1990, S. 295ff. Zurück
    4. Lurz Meinhold, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Heidelberg 1985f., 6 Bde., Bd. 4 Weimarer Republik, Bd. 5 Drittes Reich, Heidelberg 1986. Zurück
    5. Ebd. Bd. 4, S. 115ff. Zurück
    6. Keppel, Ute, Identifikation der Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Kandel. Ein Erfahrungsbericht, in: Pfälzisch-rheinische Familienkunde Themenheft , Ludwigshafen 2014, S. 98ff,; Kukatzki, Bernhard, „Es ist nicht ausgeschlossen, dass in demselben gar Namen fehlen [ ... ]“: Steinerne Zeugnisse des öffentlichen und privaten Gedenkens an den Ersten Weltkrieg in der Pfalz, ebd. S. 104ff. Zurück
    7. Vgl. Behrenbeck, Sabine, Zwischen Trauer und Heroisierung. Vom Umgang mit Kriegstod und Niederlage nach 1918, in: Duppler, Jörg; Groß, Gerhard P. (Hg.), Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 53), München 1999, S. 315ff., ebenso Lurz, Bd.4 passim. Zurück
    8. Lurz, Bd. 4, S.132ff. Zurück
    9. Ebd. S. 161ff. Zurück
    10. Lehnert, Detlef, Megerle, Klaus, Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung, Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, Opladen 1990, S. 13. Zurück
    11. Vgl. Keller, Andreas, Brandenburgische Inschriften und ihre zeitgreifende Verfügungsgewalt zwischen lokalem Standort und nationaler Geschichte, in: Hübener, Dieter, Hübener, Kristina, Schoeps, Julius H. (Hg.), Kriegerdenkmale in Brandenburg. Von den Befreiungskriegen 1813/15 bis in die Gegenwart, vgl. auch Lurz, Bd. 4, S. 289ff. Zurück
    12. Vgl. Koselleck, Reinhart; Jeismann, Michael (Hg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994, S. 7ff.; vgl. auch ebd. Jeismann, Michael, Westheider, Rolf, Wofür stirbt der Bürger? Nationaler Totenkult und Staatsbürgertum in Deutschland und Frankreich seit der Französischen Revolution, S. 23ff. Zurück
    13. Vgl. dazu Löffelbein, Nils: Ehrenbürger der Nation. Die Kriegsbeschädigten des Ersten Weltkriegs in Politik und Propaganda des Nationalsozialismus, Essen 2013. Zurück
    14. Lehnert-Detlef wie Anm. 9, S. 133. Zurück
    15. Vgl. dazu Winkle, Ralph, Der Dank des Vaterlandes. Eine Symbolgeschichte des Eisernen Kreuzes 1914-1936, Essen 2007. Zurück
    16. Lurz, Bd. 5, S.27ff. Zurück
    17. Schneider, Gerhard, „... nicht umsonst gefallen“? Kriegerdenkmäler und Kriegstotenkult in Hannover, Hannoversche Geschichtsblätter, Sonderband, Hannover 1991, S. 209ff. Zurück